Seminararbeit
Gruppe C: Lernumgebung
Möglichkeiten der Anwendung digitaler Medien
in Lernumgebungen unter konstruktivistischer Perspektive
Seminararbeit zur Veranstaltung
"Digitale Medien und konstruktivistische Lerntheorie"
Leitung: Frieder Nake
Susanne Grabowski
SoSe 2000
Vorgelegt von:
Anke Detering
Volkmar Hampel
Björn Holst
Hanjo Meyer-Ricke
Jan Panhoff
Richard Wetzel
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 1
A. Situiertes Lernen mit digitalen Medien
B. Leitfrage 1: Was ist eine eher gelungene Verwendung eines digitalen Mediums in einem Lernprozess?
C. Lego-Mindstorms in konstruktivistischen Lernumgebungen
D. Leitfrage 2: Was ist eine eher misslungene Verwendung eines digitalen Mediums in einem Lernprozess?
E. Guter Einsatz/ schlechter Einsatz von digitalen Medien ein Schulversuch
F. Gelungener/ misslungener Software-Einsatz
G. Leitfrage 3 (Fazit): Welche Schlüsse ziehen wir insgesamt?
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Vorwort
In dem Seminar "Digitale Medien und konstruktivistische Lerntheorie" war vorgesehen, dass sich drei Arbeitsgruppen zusammenfinden. Die jeweiligen Gruppen hatten den Auftrag, zu einem vorgegebenen Thema anhand vier verschiedener Texte einen 5stündigen Nachmittag zu gestalten.
Unsere Arbeitsgruppe war Gruppe C mit dem Titel "Lernumgebung". Die Zusammensetzung der Gruppe kam durch das Eintragen in eine Liste zu Beginn des Seminars zustande. So hatten wir Teilnehmer alle per e-mail zwar die Namen unserer Gruppe, lernten aber beim ersten Arbeitstreffen dann auch die dazugehörigen Gesichter kennen.
Es war eine interdisziplinäre Gruppe entstanden, die sich aus vier Medieninformatikern, zwei Pflegewissenschaftlern, einem Schulpädagogen sowie einer Behindertenpädagogin zusammensetzte.
Die Aufgabenstellung unserer Gruppe beinhaltete zu der Thematik "Lernumgebung" drei Leitfragen:
1. Was ist eine eher gelungene Verwendung eines digitalen Mediums in einem Lernprozess?
2. Was ist eine eher misslungene Verwendung eines digitalen Mediums in einem Lernprozess?
3. Welche Schlüsse ziehen wir insgesamt?
Zur Beantwortung dieser Fragen hatten wir vier Texte von den Autoren Müller; Mandl, Reinmann-Rothmeier; Mandl, Gruber, Renkl sowie Harel & Papert zur Verfügung.
Das erste Arbeitstreffen wurde inhaltlich damit verbracht, die vier Texte auf uns acht Teilnehmende aufzuteilen. Praktisch machten wir es so, dass immer zwei Personen einen Text bearbeiteten.
Um eine Übersicht in unseren Planungen zu behalten, fertigten wir abwechselnd Protokolle unserer Treffen an.
Den Inhalt der Texte stellten wir uns in einem der nächsten Treffen gegenseitig vor. Das hatte den Nutzen, dass wir bemerkten, dass teilweise die gleichen Beispiele oder Theorien in den Texten beschrieben wurden.
Es war nun an der Zeit, eine Verbindung zwischen dem Theoretischen aus den Texten und der Durchführung des Nachmittages zu knüpfen.
Uns war wichtig, den Nachmittag auch mit praktischen Beispielen zu versehen, um in den 5 Stunden etwas Auflockerung zu bekommen. Ferner sollten Anteile aus jedem der Texte zur Geltung kommen. Durch die Masse an Text war uns klar, dass wir nicht alle Inhalte im Plenum vortragen können. Das hätte wohl jeglichen Zuhörer überfordert.
Während unserer Treffen war mehrfach Diskussionsanlass, was denn nun eine gute bzw. schlechte Verwendung von digitalen Medien in einem Lernprozess sein könne.
Es entstand daher die Idee, Lernsoftware auf möglichen guten und schlechten Einsatz im Unterricht hin zu überprüfen.
So entwickelte sich letztendlich ein "Roter Faden" aus Theorie und Praxis zum Thema Lernumgebung, begonnen mit dem "wissenspsychologischen Konstruktivismus" aus dem Text von Müller, dann eine Überleitung zum Thema "Unterricht" (Text von Mandl/Reinmann-Rothmeier. Aus den Mandl/Gruber/Renkl und Harel & Papert sollte praktische Unterrichtsbeispiele berichtet werden. Die "Mindstorms" sollten der erste praktische Anteil unseres Nachmittages werden.
Der theoretische Teil über Vor- und Nachteile konstruktivistischer Lernumgebungen, sowie Stichpunkte zum "selbstgesteuerten und kooperativem Lernen" (Mandl/Reinmann-Rothmeier) sollten eine Überleitung zum praktischen Ausprobieren von Lernsoftware sein.
Da wir in unserer Arbeitsgruppe auf keine abschließende Beurteilung zur Beantwortung der drei Leitfragen festlegen konnten, beschlossen wir, dieses weitgehend offen zu lassen, um es an dem Präsentationsnachmittag mit allen Teilnehmenden zu diskutieren.
Insgesamt war es eine sehr produktive Gruppenarbeit. Arbeitsaufgaben wurden verteilt und in Eigenverantwortung von jedem erledigt. Ebenso das Auswählen und Vortragen der Texte geschah in Eigenregie der einzelnen Teilnehmer.
Die interdisziplinäre Zusammensetzung der Gruppe machte das Arbeiten und den Austausch untereinander interessant, da viele verschiedene Aspekte oder Sichtweisen zusammengetragen wurden.
Die Vorbereitungen verliefen ohne Hektik, so dass der geplante "Rote Faden" wie oben beschrieben durchgeführt werden konnte.
A. Situiertes Lernen mit digitalen Medien
Anhand des Textes von Heinz Mandl, Hans Gruber und Alexander Renkl klären wir zunächst einmal, was "situiertes Lernen" ist.
Üblicherweise wird Lernen mit dem Erwerb von Wissen in Zusammenhang gebracht.
Die Vertreter des situierten Lernens betrachten den Lernvorgang jedoch differenziert; sie gehen davon aus, dass Wissen nicht eine Art Substanz ist, die aus Begriffen besteht, welche aus ihrem Kontext herausgelöst sind und vom Lehrer zum Lernenden übertragen wird, sondern sie gehen von einem Konstruktionsprozess innerhalb des Lernenden aus. Das Wissen würde also nicht transportiert, sondern aufgebaut werden.
Bei dem Prozess des Lernens spiele die Situation des Lernens eine wichtige Rolle. Die Vertreter des situierten Lernens fordern, dass Lern- und Anwendungssituationen ähnlich gestaltet werden sollen.
Wissen wird als stark kontextgebunden angesehen, d.h. es sollte nicht nur aufgebaut werden (träges Wissen), sondern auch in konkreten Problemstellungen anwendbar sein. Deshalb solle die Lernsituation einer Anwendungssituation ähnlich sein.
Ferner sollten möglichst komplexe Lernumgebungen geschaffen werden, damit der Lernende nicht auf eine Situation fixiert werde, sondern sein Wissen flexibel anwenden könne.
Wenn man sich nun fragt, wie man komplexe Lernsituationen erstellen kann, so lautet eine Antwort darauf: durch die Nutzung von multimedialen Technologien. Diese stellen ein breites Spektrum von Anwendungssituationen bzw. von Möglichkeiten, Anwendungssituationen zu simulieren, bereit.
Die Anwendung multimedialer Lernumgebungen solle so angewendet werden, dass Probleme möglichst interessant dargestellt werden, so dass der Lernende eine hohe Motivation zur Problemlösung zeigt.
Nach Möglichkeit sollen authentische Situationen sowie realistische Probleme geschildert werden.
B. Leitfrage 1: Was ist eine eher gelungene Verwendung eines digitalen Mediums in einem Lernprozess?
Positive Beispiele für den Einsatz eines digitalen Mediums in einem Lernprozess werden im oben genannten Artikel ebenfalls aufgeführt:
Nach dem Anchored-Instruction-Ansatz (der "Cognition and Technology Groupat Vanderbilt", 1990) werden komplexe Ankerreize gesetzt, indem möglichst authentische Problem-situationen z. B. per Video gezeigt werden. Diese sollen den Lernenden anregen, sich intensiv mit dem Problem auseinander zusetzen.
Jasper Woodbury
Besonders gelungen scheint den Autoren die in den USA entwickelte "Jasper Woodbury"-Reihe zu sein. Hierbei handelt es sich um Abenteuergeschichten des besagten Jasper, die den Schülern in Form eines 15 bis 20minütigen Films präsentiert wird. Der Film endet stets offen, allerdings bleibt ein konkretes Problem bzw. eine Aufgabe für Jasper oder seine Kameraden noch zu lösen. In dem Text wird kurz die Handlung eines solchen Filmes dargelegt, woran man sich am besten eine Vorstellung der Intentionen der Jasper-Reihe machen kann.
In dem Film findet ein Wildhüter in einem Reservat einen verletzten Adler, der nur gerettet werden kann, wenn ihn der Wildhüter in eine etwas weiter entfernt liegende Tierklinik bringt. Im Film wird plausibel dargestellt, dass dieser Transport nur mit einem bereits in der Geschichte aufgetauchten Ultralight-Drachen (der wie auch andere zur Lösung notwendige Fakten unauffällig in die Geschichte eingewoben wurde) erfolgen kann. An dieser Stelle müssen die Schüler (in diesem Fall war es eine 5. Jahrgangsstufe) nun selbstständig überlegen, wie die Rettung zu bewerkstelligen ist.
Probleme wie geringe Tank- und Belastungskapazität sowie die Entfernungen im Dreieck zwischen Fundort des Adlers, Tierklinik und Position des Drachens erfordern von den Kindern das Anwenden mehrerer mathematischer Kenntnisse. Das besondere Augenmerk bei diesem Film liegt hierbei in der Vermittlung des Satzes des Pythagoras, wie man an nebenstehender Zeichnung erkennen kann.
Wie bei allen Jasper-Geschichten liegt auch hier das Augenmerk darauf, die Kinder stark zu motivieren, das Problem auch zu lösen, und somit dem Wildhüter zu helfen. In der Diskussion mit der Gruppe zeigten sich aber auch durchaus kritische Anmerkungen zu besagtem Film. So erschien es einigen wenig plausibel, dass ausgerechnet ein Ultralight-Drachen zur Rettung des Adlers vonnöten sein sollte. Unserer Meinung nach ist es aber durchaus möglich, dies 5.Klässlern realistisch nahezubringen. An dieser Stelle muss man sich auch vor Augen halten, dass die gesamte Jasper-Reihe aus den USA stammt, der Adler als Wappentier der Vereinigten Staaten also durchaus eine nicht zu unterschätzende symbolträchtige Bedeutung hat.
In dem Artikel werden nun weiterhin empirische Untersuchungen angeführt, die der Jasper-Reihe durchaus Erfolge zusprechen. So soll besonders die Motivation der Schüler zur Problemlösung und die Bereitschaft, auch wirklich Mathematik anzuwenden, hoch gewesen sein. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, wenn man sich vor Augen hält, wie sehr sich eine Videopräsentation von einer reinen Problemschilderung in einem herkömmlichen Schulbuch unterscheidet. Im Prinzip sind die Jasper-Geschichten nichts anderes als "gewöhnliche" Textaufgaben. Allerdings liegt hier die Identifizierung der Schüler mit dem "Helden" viel höher, was einen Studenten im Laufe der Diskussion zu folgendem Einwurf veranlasste (sinngemäß): "Bei Aufgaben wie Peter hat vier Äpfel... hatte ich nie ein Verhältnis zu diesem Peter. Mir war egal, was mit seinen Äpfeln passierte. Man konnte immer leicht erkennen, dass es in Wahrheit nur um eine Rechenaufgabe ging."
Sicherlich könnte man auch einen zumindest ähnlichen Effekt mit einer vom Lehrer gut erzählten Geschichte erreichen (so ein weiterer Kommentar), aber der Effekt besagter Geschichte steht und fällt mit den Erzählfähigkeit des Lehrers. Außerdem könnte die Akzeptanz seitens der Schüler im heutigen Fernseh- bzw. Informationszeitalter (und hier besonders in den USA) größer bei einer Vermittlung durch ein Video sein.
Abschließend möchten wir uns der positiven Beurteilung dieses Medieneinsatzes durch den Text anschließen: "Durch die dynamische Darstellungsweise werden außerdem effektiv Verstehens- und Wiedergabeleistungen der Lernenden gefördert." (Mandl, Gruber & Renkl, S. 173).
Thyroidea
Der Mandl/Gruber/Renkl-Text führt noch ein weiteres Beispiel für einen gelungenen Einsatz eines digitalen Mediums in bzw. als eine Lernumgebung an, das wir hier auch kurz darstellen möchten.
Hierbei handelt es sich um eine Lernsoftware namens Thyroidea, die ihren Einsatz unter Medizinstudenten im Bereich Schilddrüsenerkrankung findet.
Mittels dieses Programms kann der Student einen virtuellen Patienten behandeln, d.h. er kann Anamnese, klinische Untersuchung, Labor, technische Untersuchung, Diagnose und Therapie vollständig am Rechner anhand einer Computersimulation durchführen, die unter anderem durch Videoeinspielungen ergänzt werden.
Ein Vorteil der Verwendung eines solchen Lernprogramms ist leicht ersichtlich: Es ist keinesfalls möglich, allen Studenten ausreichend Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, an echten Patienten Erfahrungen zu sammeln. Sicherlich kann dieses Programm den direkten Kontakt mit dem Patienten nicht ersetzen, es kann aber weitaus praxisnäher sein, als die herkömmliche Vermittlung des Wissens im Rahmen einer Vorlesung.
Vieles spricht weiterhin dafür, dass Thyroidea diese Rolle durchaus in der Lage ist auszufüllen, was mit einer Schilderung der verschiedenen Evaluationsphasen des Programms im Text dargelegt wird. Es wurden sowohl Spezialisten aus dem medizinischen Bereich herangezogen wie auch instruktionspsychologische Experten. Weiterhin wurde das Programm auch ausführlich an Studenten getestet und auf ihre Anmerkungen reagiert.
In einer abschließenden Evaluation wurde Thyroidea hinsichtlich folgender Leitfragen untersucht: (ebd., S.175)
&Mac183; Inwieweit führte das Programm zur erwarteten aktiven Bearbeitung?
&Mac183; Wie schätzten die Lernenden das Programm hinsichtlich der medizinischen Inhalte, der Didaktik und der technischen Bedienbarkeit ein?
&Mac183; Wie motiviert waren die Lernenden bei der Bearbeitung eines Falls?
&Mac183; Führte die Bearbeitung eines Falls zu den erwünschten Lernerfolgen? Konnte durch die Bearbeitung eines Falls anwendungsorientiertes Wissen und komplexes Zusammenhangwissen erworben werden?
Die Ergebnisse waren durchweg positiv, und Thyroidea wurde so als außergewöhnlich gelungenes Lernkonzept eingestuft.
Zusammenfassend sehen wir hier, dass solche und ähnliche Lernsoftware oftmals trotz bloßer Simulation dem Lernenden einen praxisähnlichen Lernerfolg bereiten kann, besonders in Gebieten, in denen ein "echter" Praxiseinsatz aus verschiedenen Gründen (Kosten, Personal, Risiko, Verfügbarkeit etc.) schlechterdings undurchführbar ist.
C. Lego-Mindstorms in konstruktivistischen Lernumgebungen
Die in dem Text "Software Design as a learning enviroment" benutze Programmiersprache Logo wurde 1967 von Seymour Papert entwickelt. Sie ist im wesentlichen ein Dialekt der Programmiersprache Lisp, allerdings mit einer speziell auf Programmieranfänger (Kinder) zugeschnittenen Syntax.
Die bekannteste Logo-Programmierumgebung ist die sogenannte Turtle (dt. Übersetzung unterschiedlich z. B. Igel oder Schildkröte). Hierbei handelt es sich um eine Figur (vorzugsweise eine Schildkröte, häufig aber auch einfach nur ein Dreieck), die auf dem Bildschirm dargestellt wird und Befehle wie vorwärts 20 (Bewegung um 20 Einheiten nach vorne) rechts 45 (Drehung um 45° nach rechts) erhalten kann. Die zurückgelegte Strecke wird durch Linien markiert, so dass sich die Turtle hervorragend zum Zeichnen eignet. Befehle können in Schleifen und Prozeduren zusammengefasst werden. Ursprünglich handelte es sich bei der Turtle übrigens um einen Roboter, der auf dem Boden die Befehle in entsprechende Bewegungen umsetzte.
Ungefähr zwanzig Jahre nach der Einführung von Logo lebt die betagte Programmiersprache wieder auf, in den 1998 erschienen Lego-Mindstorms, einem programmierbaren Lego-System in erster Linie zum Bauen von Robotern. Auch hier war Papert maßgeblich an der Entwicklung beteiligt.
Das Herz der Mindstorms bildet ein unscheinbarer, ungefähr 15cm langer, gelber Legostein, der sogenannte RCX. Er ist die zentrale Steuereinheit, mit drei Eingängen für Sensoren und drei Ausgängen für Motoren oder Lampen. Sensoren gibt es z. B. für Helligkeit, Druck, Temperatur oder Winkel.
Programmiert wird das Ganze auf einem PC mit einer speziellen Software, einer grafischen Logovariante. Das bedeutet, jeder Befehl wird durch ein entsprechendes Icon repräsentiert und mit einer Linie mit dem nächsten Befehl verbunden. Der Befehlssatz ist sehr umfassend. Vom einfachen Motor A vorwärts drehen bis zu komplexen Tasksplits (Die Bearbeitung von mehreren Aufgaben gleichzeitig) ist fast alles möglich. Variablen werden durch Behälter dargestellt, in die bei Bedarf Kugeln gefüllt oder auch wieder entfernt werden können. Mit diesen Behältern kann sogar gerechnet werden.
Hat man zwei oder mehr RCX zur Verfügung, können diese sogar untereinander Botschaften austauschen.
Die Programmierung ist, wenn man das Prinzip einmal begriffen hat, sehr einfach und anschaulich. Syntaxfehler sind selten und beschränken sich meistens auf falsche Verdrahtung der Befehle. Die zur Fehlermeldung ausgegebene Hilfe löst das Problem meist rasch.
Um unterschiedlichen Alters- und Kenntnisstufen gerecht zu werden, gibt es in der Programmierumgebung mehrere Stufen, auf denen jeweils nur ein mehr oder wenig eingeschränkter Befehlssatz zur Verfügung steht. Die Beispielmodelle sind ebenfalls an die Stufen angepasst.
Im dem der Schulversion beiliegenden Lehrerheft werden Beispiele für einen Einsatz im Unterricht gezeigt.
Der Hersteller vertritt die Meinung, dass Lego-Mindstorms vor allem in Projekten, bzw. Unterrichtsblöcken sinnvoll eingesetzt werden können. Dies ist auch unsere Meinung, da ein Einsatz in einzelnen Unterrichtsstunden wenig Sinn macht, weil das Auf- und Abbauen sowie das Basteln selbst viel Zeit in Anspruch nehmen. Außerdem halten wir es für wenig sinnvoll, wenn die kreativen Prozesse, die beim Basteln und Programmieren entstehen und nötig sind, ständig unterbrochen werden. Auch Einzelarbeit scheint uns wenig sinnvoll, schon allein aus Kostengründen, aber auch besonders, weil eines der wesentlichen Lernziele unserer Meinung nach die Verbesserung der Teamfähigkeit ist.
Neben den sozialen Aspekten sind weitere Lernziele vor allem eine Verbesserung des analytische, strukturierten oder algorithmischen Denkens. Aber auch die Programmiererfahrung und ein möglicherweise vertieftes technisches Verständnis gehören unserer Meinung nach zu den Lernzielen.
Alle dies sind Fähigkeiten, die in der Zukunft, aber auch schon heute eine immer wichtigere Rolle spielen werden, darum halten wir den Einsatz von Mindstorms im Unterricht für sinnvoll. Sie stellen auch für weniger computerinteressierte Kinder eine Möglichkeit zur Verfügung, Resultate mit dem Computer zu erzielen, die weniger abstrakt sind als solche, die nur durch Zeichen auf dem Monitor ausgegeben werden.
Allerdings muss dabei auf einen vernünftigen Einsatz wert gelegt werden. Zum Beispiel sollte besonders bei jüngeren Schülern ausreichend Hilfestellung gegeben werden, weil sonst sehr schnell Frustration entstehen kann, die den Lernerfolg zunichte macht. Diese Hilfestellung darf jedoch nicht in zu strenge Vorgaben ausarten, die den Kindern jegliche Motivation und Eigeninitiative nimmt.
Zum Abschluss möchten wir noch eine Frage behandeln, die in der Diskussion entstand und auch nicht hinreichend geklärt ist, die wir aber für wichtig halten. Es ging darum, ob Kinder gezwungen werden sollten (vom Lehrplan), sich mit solchen Dingen wie Computern und logischem Denken zu befassen. Die spontane Reaktion darauf war natürlich ein klares Nein, denn ohne Motivation sei ohnehin kein Resultat zu erzielen. Andererseits werden diese Fähigkeiten immer mehr zum gesellschaftlichen Muss, und Kinder werden heute schließlich auch zum Kunstunterricht u. a. "gezwungen", obwohl viele kein großes Interesse daran haben. Dies soll nur ein Denkanstoß sein, da wir keine einheitliche Bewertung hierfür finden konnten.
D. Leitfrage 2: Was ist eine eher misslungene Verwendung eines digitalen Mediums in einem Lernprozess?
Der Einsatz eines digitalen Mediums im Lernprozess ist nicht automatisch immer eine gelungene Verwendung. Es hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, die wir z. T. mit den unter Leitfrage 1 genannten Punkten bereits verdeutlicht haben. Anhand des Studiums der Texte und des gemeinsamen Nachmittags möchten wir nun Überlegungen anstellen, die unsere 2. Leitfrage beantworten.
Unter Leitfrage 1 hatten wir bereits zwei positive Beispiele aus dem Text von Mandl/Gruber/ Renkl dargestellt. Die Autoren gehen im letzten Kapitel "Grenzen situierten Lernens in multimedialen Lernumgebungen" durchaus kritisch mit dem Einsatz digitaler Medien um.
An erster Stelle geben sie zu bedenken, dass die Erstellung einer digitalen Lernumgebung gemäß den Richtlinien des situierten Lernens oftmals einen sehr hohen Aufwand erfordert. Dies ist leicht an dem oben genannten Medizinerprogramm Thyroidea zu verdeutlichen. Neben dem bloßen Aufwand an Programmierung war besonders die Evaluation der Software sehr umfangreich. Hier ist also mit der nötigen Sorgfalt vorgegangen worden. Bei weniger Sorgfalt wäre der Erfolg bei sicherlich geringer ausgefallen.
Weiterhin betrachten die Autoren den Einsatz von Hypertext-Medien kritisch, da hier ihrer Meinung nach ein hohes Gefahrenpotential vorhanden ist. Sehr leicht kann es hier passieren, dass der Lernende "lost in Hyperspace" ist, da er sich in den Weiten der von ihm betrachteten Texte verloren hat. Hier ist unbedingt eine ausreichende instruktionale Unterstützung seitens des Lehrenden erforderlich, die didaktische Einbettung sollte hier eine hohe Priorität genießen. Leider war es uns aus zeitlichen Gründen nicht möglich, diesen Aspekt in einer Praxiseinheit zu untersuchen. Eine Diskussion darüber konnte deswegen ebenfalls nicht geführt werden.
Geplant war, drei Gruppen zu bilden, die folgende Aufgaben bekommen sollten:
&Mac183; Gruppe 1 sollte Informationen über das Gehirn heraussuchen.
&Mac183; Gruppe 2 sollte Informationen über die Nervenbahnen des Gehirns ausgehend von einer Suchmaschine heraussuchen und ihre Ergebnisse festhalten.
&Mac183; Gruppe 3 sollte Informationen über die Nervenbahnen des Gehirns heraussuchen und ihre Ergebnisse festhalten, all das ausgehend von bestimmten von uns genannten Web-Seiten zum Thema.
Der Erfolg der verwendeten Methode kann unserer Meinung nach stark mit der Internetkompetenz der Gruppenmitglieder zusammenhängen sowie mit der Fähigkeit zu konstruktivistischem Lernen (vgl. auch Jacobsen und Spiro, 1994). Während die letzte Gruppe eine recht strenge Vorgabe zu erfüllen hätte, wo auch die Vorgehensweise genau vorgegeben ist, müsste besonders Gruppe 1 mit einer sehr freien Aufgabenstellung zurechtkommen.
Der Einsatz von Internet (und Hypertext-Medien) in einem Lernprozess lässt sich nicht grundsätzlich als misslungen bezeichnen. Entscheidend ist hier wie so oft das "Wie". Zu beachten bleibt auch, "[...] dass lediglich Lernende mit besseren generellen Lernvoraussetzungen eine Hypertext-Lernumgebung angemessen nutzen [können]". (S.176; Mandl, Schnotz, Picard, Henniger; 1992). Der Lehrende muss also genau abwägen, ob es gerade bei den von ihm betreuten Lernenden sinnvoll ist, ein so freies Medium, wie es z. B. das Internet ist, einzusetzen.
E. Guter Einsatz/ schlechter Einsatz von digitalen Medien ein Schulversuch
Um die Frage nach einem guten oder einem schlechten Einsatz von digitalen Medien in einer Lernumgebung zu beantworten, nehmen wir Bezug auf einen Text von Idit Harel und Seymore Papert aus dem Jahr 1987, in dem sie ein Experiment beschreiben, das sie an einer Grundschule in Boston durchgeführt haben. Der Text mit dem Titel "Software Design as a learning environment" zeigt einige Möglichkeiten, digitale Medien im Unterricht einer Grundschule einzusetzen, den Inhalt werden wir hier kurz wiedergeben.
Das Ziel des Experimentes ist es, zu zeigen, dass Schüler einer vierten Klasse den Stoff zweier verschiedener Unterrichtsfächer besser lernen, wenn man ihn ihnen mit einem persönlichen Bezug und mit mehr Freiheit beim Lernen vermittelt. Zu diesem Zweck wählten Papert und Harel eine Grundschule in einem sozial schwachen Gebiet von Boston aus, das hauptsächlich von ethnischen Minderheiten bewohnt wurde.
Die Schule hatte einige architektonische Besonderheiten, die zu der Zeit bei mehreren Grundschulbauten auftauchten. Die Klassenräume waren rund um einen großen Zentralraum angeordnet, dem Harel und Papert für ihren Versuch eine große Bedeutung zumaßen.
Vor Beginn der Versuchsreihe wurden mit den Schülern Pre-Tests durchgeführt, die Aufschluss über das Wissen über die Programmiersprache Logo (an deren Entwicklung Papert maßgeblich beteiligt war) und über ihr Wissen über Bruchrechnung gaben. Den Klassen wurde dann je eine Art der Bearbeitung des Lernstoffes aus dem Bereich "Logo und Brüche" zugeteilt.
Die erste Klasse sollte ihre Lerninhalte über eine neue Art des Lernens nähergebracht bekommen. Sie erhielten die Aufgabe, ein Programm in Logo zu verfassen, das anderen Kindern ihres Alters den Umgang und die Bedeutung von Brüchen verdeutlichen sollte. Ihr Mathematik- und Logounterricht wurde zusammengelegt, sie durften Rechner benutzen, die im Zentralraum des Gebäudes platziert waren, und sie erhielten Unterstützung bei ihrer Programmierarbeit durch ihre Lehrer, sowie durch Harel und Papert selbst. Als Auflage wurde ihnen gegeben, dass sie zu Beginn des Schultages in ein Tagebuch eintragen sollten, was sie für Pläne für die Weiterentwicklung ihres Programms hatten, seien es Aspekte des Programmierens oder des Design. Während des Unterrichts durften Schüler, die meinten, etwas neues in Logo entdeckt zu haben ihren Klassenkameraden diese Entdeckung selber erläutern und Kindern, die meinten, eine neu erlernte Technik direkt umsetzen zu müssen, war es erlaubt, das Klassenzimmer zu verlassen und sofort am Rechner weiterzuarbeiten.
Die zweite Klasse (genannt C1) aus der Testgruppe bekam zwar getrennten Mathematik- und Logounterricht, ihr Ziel war aber ebenfalls das Erstellen eines Lernprogramms für Gleichaltrige, auch durften sie die Rechner im zentralen "Pool" nutzen. Ihnen wurden keine Auflagen über die Niederschrift ihrer Ideen gemacht und keine weiteren Personen zur Unterstützung des Lehrenden zugeteilt.
Die dritte Klasse (genannt C2) erhielt Unterricht der gewohnten Art, Mathematik und Logo in verschiedenen Unterrichtsstunden, wobei sie sich zum Arbeiten mit Logo in einen Computerraum begeben musste. Die Schüler dieser Klasse hatten keinerlei vorgegebenen Bezug zwischen Logo und ihrem Mathematikunterricht.
Der Zeitraum des Experimentes war auf 4 Monate festgelegt. Nach dem Ablauf dieser Zeit wurde mit allen Kindern ein Post-Test durchgeführt, in dem wieder ihre für das Projekt relevanten Fähigkeiten getestet wurden.
Das Ergebnis zeigte, dass die erste Klasse, die die freieste Lernumgebung hatte, am besten abschnitt, obwohl sie beim Pre-Test nur an zweiter Stelle gelegen hatte. Die Klasse C1 zeigt zwar ein deutlich besseres Verständnis des Stoffes als noch beim Pre-Test, bei dem sie besser abgeschnitten hatte als die erste Versuchsklasse, dennoch waren die Fähigkeiten der Kinder vor allem bei der Analyse und der Fehlersuche in Programmcode weniger deutlich ausgeprägt.
Die Schüler der Klasse C2, die auch beim Pre-Test die schwächsten gewesen waren, wiesen ebenfalls eine Verbesserung ihres Verständnisses für Bruchrechnung und Logo auf, jedoch konnten sie nicht mit den ersten beiden Klassen mithalten.
Wir werden uns nun zur Aussage dieses Textes über einen guten oder einen schlechten Einsatz von digitalen Medien in einer Lernumgebung äußern. Offensichtlich ist, dass die Kinder der ersten Versuchsgruppe nach Aussage von Harel und Papert mehr Spaß an der Arbeit mit dem zu vermittelnden Stoff hatten. Deutlich ist auch, dass ihre Post-Test-Ergebnisse außergewöhnlich gut waren. Bleibt nun die Frage, ob dieses Ergebnis auf den kombinierten Einsatz von digitalen Medien und konventionellen Lehrmethoden zurückzuführen ist oder vielmehr auf die verstärkte Betreuung der Kinder durch drei Berater, die den Kindern in den anderen Versuchsgruppen nicht zuteil wurde.
Wir denken, diese Frage lässt sich nur teilweise beantworten. Die Gruppe C1, die zwar unter ähnlichen Bedingungen arbeitete wie die erste Gruppe, aber nicht die zusätzlichen Hilfen durch zusätzliches Personal bekam, schnitt zwar beim Post-Test recht gut ab, die Richtigkeit ihrer Antworten stieg aber prozentual zum Ergebnis des Pre-Tests gesehen nicht stärker als die der Vergleichsgruppe C2. Man könnte also behaupten, dass der Erfolg der ersten Klasse nicht auf die Veränderung der Lernumgebung durch die Computer und die veränderte Unterrichtsmethodik zurückzuführen ist, sondern vielmehr auf die verbesserte Betreuung. Papert und Harel haben mit ihrem Versuch also eigentlich nur bewiesen, dass eine verbesserte Betreuung von Lernenden zu verbesserten Ergebnissen führt, was jedoch allgemein bekannt sein dürfte. Über die Effizienz eines Einsatzes von digitalen Medien in einer Lernumgebung sagt der Text leider gar nichts aus.
Abschließend bleibt noch eine Bemerkung zum Titel des Textes "Digital media as a learning enviroment". Auffällig ist unserer Meinung nach der Gebrauch des Wortes "as". Der Titel lautet also übersetzt: "Digitale Medien als Lernumgebung". Es scheint, als ob Papert und Harel die digitalen Medien nicht als Bestandteil einer Lernumgebung sehen (dann hätte es wohl "in" statt "as" geheißen), sondern den digitalen Medien den Status einer eigenen Art von Lernumgebung zugestehen. Der kognitivistischen Anschauung entspräche aber die "in"-Variante, die alles, was die Schüler umgibt mit einbezieht (vgl. Mandl & Reinmann- Rothmeier, S.15).
F. Gelungener/ misslungener Software-Einsatz
Während des Seminarnachmittags haben wir wie oben geschildert die Gruppe auch praktisch mit Lernsoftware umgehen lassen. Dabei zeigte sich, dass keine der untersuchten Software wirklich ausnahmslos als negativ eingestuft wurde. Dennoch wollen wir hier ein paar Kritikpunkte wiedergeben.
Beispielsweise kritisierte die Gruppe bei "Fürst Marigor und die Tobis", dass die Stimme des Sprechers zu monoton sei. Besonders da diese Software für Kinder eher jüngeres Alters konzipiert ist, sollte die Stimme des Sprechers viel mehr Energie versprühen. Die Kinder müssen in das Geschehen förmlich hineingezogen werden, damit ihnen das Programm Spaß macht, was eine Grundvoraussetzung für einen Lernerfolg ist.
Der Gruppe äußerte weiterhin, dass das Programm nach mehrmaligem Spielen langweilig wurde. Inwieweit das daran lag, dass es sich nur um eine Demo-Version handelte, können wir nicht beurteilen. Trotzdem sollte ein Lernprogramm keineswegs langweilig sein. Auch hier steht wieder im Vordergrund, dass die Kinder (bzw. die Lernenden) dazu motiviert sein sollten, das Programm auch zu benutzen. Ist dies nicht der Fall, sollte man von der Nutzung besagter Software eher absehen.
Bei den anderen getesteten Programmen fielen vor allem Fehler in der konkreten Programmierung negativ auf. Teilweise brach das Programm ab ("Löwenzahn"), stürzte ab ("Sofies Welt") oder wies Grafikfehler auf ("Microsoft Weltatlas"). Auch dies ist einem etwaigen Einsatz in einer Lernumgebung hinderlich, da durch solche Programmfehler die Motivation des Benutzers stark verschlechtert wird. Ein Lernprogramm aber sollte den Benutzer keinesfalls durch Fehler frustrieren, da auch dann der Lerneffekt verringert wird.
Abschließend lässt sich sagen, dass vor allem ein wahlloser oder schlecht geplanter Einsatz einer Software (bzw. digitaler Medien allgemein) zu einem negativen Ergebnis führt. Auch sollte selbstverständlich nicht mit aller Macht der Einsatz eines digitalen Mediums umgesetzt werden. So ist es beispielsweise wenig sinnvoll, den Schülern die Eigenarten des heimischen Waldes mittels einer Lern-CD-ROM beibringe zu wollen. Statt dessen wäre es hier eher angebracht, mit den Schülern einmal direkt einen Wald aufzusuchen, da sie sich so eine "Konstruktion" der realen Umwelt machen können und nicht die "Konstruktion einer Konstruktion".
G. Leitfrage 3 (Fazit): Welche Schlüsse ziehen wir insgesamt?
Wie wir oben festgestellt haben, greifen digitale Medien als Selbstzweck zu kurz. Auch die Neugier, die digitale Medien bei Schülern hervorruft und die zur Lernmotivation ge- bzw. missbraucht wird, ist nur als vorübergehend anzusehen und wird mit der Zeit weniger werden. Dies unterstrich auch ein Kommilitone während unserer Abschluss-Diskussion mit der (hier pointiert widergegebenen) Äußerung: "Mit jedem neuen Medium taucht in der Schule eine neue Hoffnung auf". Dass ein Medium neu ist, sagt also noch nichts darüber aus, ob und wie es didaktisch sinnvoll eingesetzt wird. Vielmehr muss man sich vor Augen führen, dass jedes Medium sowohl positiv als auch negativ eingesetzt werden kann.
Wir haben erfahren, dass digitale Medien der konstruktivistischen Vorstellung von Wissenserwerb dienlich sein können, in der es um entdeckendes Lernen statt der Vermittlung trägen Wissens geht. Denn gute tutorielle Programme, Simulationsprogramme oder Planspiele können sehr individuelles Lernen ermöglichen. Wenn der Computer dann noch nicht nur im PC-Labor oder Informatikunterricht, sondern als PC-Station im Klassenraum oder als Laptop individuell eingesetzt wird, sind zumindest die Rahmenbedingungen für eigenaktives, flexibles und intrinsisch motiviertes Lernen gegeben.
Für die Lernziele "Kooperation" und "soziales Lernen" ist der Einsatz digitaler Medien allerdings ein zweischneidiges Schwert. Zwar ermöglichen Inter- und Intranet sehr wohl einen kommunikativen Austausch, doch mangelt es diesen Medien an "nonverbalen und situativen Anhaltspunkten" (Mandl/ Reinmann-Rothmeier, S. 84), was die menschliche Interaktion stark einschränkt.
Hier taucht ein weiteres Problem auf, das den digitalen Medien anhaftet: "[Die] Relation von hier Wirklichkeit und da Schein, Repräsentation, Konstrukt, Symbol [...] wird durch die Medien in einem ungeheuren und ungeheuerlichen Maß zugunsten des letzteren verschoben" (von Hentig, S. 32). Anders ausgedrückt erscheint Wirklichkeit selbst wenn man sie als vom Individuum konstruiert ansieht immer mehr als medienvermittelt und immer weniger als unmittelbare Erfahrung. Und selbst ein noch so leistungsfähiges Medium verzerrt jedes Wirklichkeitskonstrukt in seiner ihm eigentümlichen Weise. Der Umgang mit den neuen Medien kann zwar seinerseits als Anpassung an die heutige Umwelt angesehen werden, allerdings als Akkomodation also passiv.
Des weiteren sieht von Hentig die "Relation zwischen Dauerhaftem und Flüchtigem" durch die neuen Medien in Richtung des Flüchtigen verschoben (ebd., S. 34). Hieraus erwächst ein Problem für die "anthropologische Dimension" des Wissens (vgl. Müller, S. 74), denn Ethik, Wertvorstellungen u. ä. sind zwar veränderbar, aber auf Kontinuierlichkeit angelegt. Gerade in der Schule sollte dies zumindest thematisiert und auf folgendes hingewiesen werden: "Wir Menschen setzen das Maß [...]" (von Hentig, S. 39).
Die Kehrseite der Medaille besteht darin, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Schule sehr wohl die gesellschaftliche Verpflichtung hat, SchülerInnen auf ihr späteres Arbeitsleben vorzubereiten, das zunehmend von digitalen Medien geprägt wird (vgl. "Green-Card-Dedatte" u. ä.). Die vielfach geforderte Vermittlung "Medienkompetenz" sollte allerdings nicht mit Technikkompetenz gleichgesetzt werden, sondern die kritische Betrachtung der neuen Medien mit einschließen. Hier kommt nicht nur auf die Schüler Neues zu, gerade in der Lehreraus- und Weiterbildung gibt es noch viel zu tun.
Da wir den Einsatz digitaler Medien unter der konstruktivistischen Perspektive betrachten, müssen wir auch darauf hinweisen, dass eine ideale Lernumgebung nach konstruktivistischem Verständnis einigen schulischen Rahmenbedingungen wie Vergleichbarkeit der Leistungen, Selektion, vorgegebenen Lerninhalten, Zeitintervallen u. ä. widerspricht. Zugespitzt lässt sich sagen: Solange es Lehrziele gibt, die nicht von den Lernern bestimmt werden, können Lernumgebungen nur bedingt konstruktivistisch sein. Gefragt sind also realistische Kompromisse wie "offener", "fächerübergreifender" oder "Projektunterricht", dazu eine möglichst repressionsarme Unterrichtsatmosphäre. Auch hier liegt vieles bei den LehrerInnen, deren Gestaltungsfreiraum zwar eingeschränkt, aber in der Regel kaum ausgeschöpft ist.
Um den Themenkomplex ein wenig zu entdramatisieren, lässt sich abschließend folgendes mit Gewissheit festhalten: Der Einsatz digitaler Medien ist förderlich, wenn er hilft, die jeweiligen speziellen und allgemeinen (gesellschaftlich legitimierten) Lernziele mindestens genau so gut zu erreichen wie eine Lernumgebung ohne digitale Medien. Die Schwierigkeit liegt allerdings darin, dies im Einzelnen empirisch zu belegen (vgl. Mandl/ Reinmann-Rothmeier, S. 45).
Literatur
HAREL, IDIT & PAPERT, SEYMOUR: Software design as a learning environment. In: HAREL, IDIT & PAPERT, SEYMOUR (Hrsg.): Constructionism. Norwood, NJ: Ablex 1991, S. 41-84.
VON HENTIG, HARTMUT: Jugend im Medienzeitalter. In: GOGOLIN, INGRID & LENZEN, DIETER (Hrsg.): Medien-Generation: Beiträge zum 16. Kongress der Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. Opladen: Leske & Budrig 1999, S. 17-42.
MANDL, HEINZ; GRUBER, HANS & RENKL, ALEXANDER: Situiertes Lernen in multimedialen Lernumgebungen. In: ISSING, LUDWIG J. & KLIMSA, PAUL (Hrsg.): Information und Lernen mit Multimedia. Weinheim: Psychologie-Verlags-Union 1995, S. 167-178.
MANDL, HEINZ & REINMANN-ROTHMEIER, GABI: Unterrichten und Lernumgebungen gestalten. Forschungsbericht Nr. 60. Ludwig-Maximilians- Universität, Institut für pädagogische Psychologie und empirische Pädagogik, 1995.
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